Die Kantate „Homo homini lupus“
Der erste Teil der Kantate wurde von Alfred Hochedlinger
getextet und komponiert für eine Gedenkfeier im November 2007 zur Erinnerung an
die Ankunft der ersten Häftlinge am Bahnhof Mauthausen. Das eindringliche Stück
„Homo homini lupus“ greift ein lateinisches Zitat des vorchristlichen,
römischen Dichters Plautus auf, übersetzt „Ein Wolf ist der Mensch den
Menschen“. Bekannt wurde der Spruch durch den englischen Philosophen Thomas
Hobbes (1588-1679). „Der Mensch ist dem Menschen ein gieriger Wolf“ lässt
Hochedlinger den Chor singen und will uns damit sagen, dass der Mensch, einmal
losgelassen, seine eigene Spezies wie eine Bestie attackiert.
Angespornt durch das positive Feedback nach der Uraufführung
entschloss sich Hochedlinger, das Stück zu einer Kantate in fünf Sätzen
auszubauen. Textlich wurde Hochedlinger bei dem Vorhaben von Werner Wöckinger
unterstützt. Die Teile 2 – 4 wurden von Mitte Jänner bis Ende Februar 2010
komponiert. Vollständig uraufgeführt wurde „Homo homini lupus“ im März 2010 im
Donausaal Mauthausen mit dem bekannten Schauspieler Alfons Haider als Sprecher.
Das Werk weckte großes Medieninteresse und beeindruckte die Zuhörer tief.
1. Homo homini lupus
(Ankunft in Mauthausen)
Textlich und musikalisch wird im ersten Satz auf die
hoffnungslose Situation, Endstation Konzentrationslager, hingewiesen. Den
Opfern wird die Identität geraubt, sie werden zu Nummern degradiert. Ein
Gedanke, der auch im zweiten Lied aufgegriffen wird. Die Täter verhielten sich
wie wild gewordene Bestien. Die Frage nach dem warum bleibt unbeantwortet.
2. Ihr tötet nur eine Nummer
(Appellplatz)
Im Refrain wird davon gesungen, dass die Nazis ihre Opfer
zwar quälen („ihr brecht uns unsre Knochen“) und töten konnten, aber die Seele
des Menschen kann der Folterknecht nicht zerbrechen und nicht aus dem Leib
reißen. Die Strophen versuchen einen Tagesablauf zu charakterisieren. Dem
Morgenappell in der ersten Strophe folgt das Schuften tagsüber. In der letzten
Strophe bricht die Nacht herein. Aber auch da kommen die Häftlinge nicht zur
Ruhe.
3. All unsre Hoffnung haben wir verloren (Todesstiege)
Die Todesstiege als Folterinstrument, die Todesstiege als
Symbol der Tötungsmaschinerie. Für die Häftlinge von Mauthausen gab es keine
Hoffnung, es gab nur unaussprechliches Leid, Martyrium und bittere Not,
letztlich wohl auch Todessehnsucht.
4. Kann es noch einmal so sein
(Befreiung)
„Das Tor geht auf, das Leiden ist zu Ende“, singt der Chor.
Jene wenigen, die das Ende des Krieges erlebten, waren zu schwach, um
ausgelassen zu feiern. Es war wohl eher ein leises, unscheinbares Glücksgefühl.
Und sofort mischte sich in die Freude und die Erleichterung das unbestimmte
Gefühl: was jetzt? „Kann es noch einmal so sein wie es war?“, werden sich wohl
manche gefragt haben und die Frage mit einem „Nein!“ beantwortet haben. Das
Leiden hatte im Mai 1945 kein Ende. Keiner der Befreiten konnte zur
Tagesordnung übergehen und so tun, als ob nichts geschehen wäre.
5. Ist der Mensch wirklich ein gieriger Wolf?
(Gegenwart)
Hier wird die Ist-Situation beleuchtet. Dabei soll es nicht
um ein Aufwiegen von Schuld, ein Bewerten von Grausamkeiten gehen, sondern um
das Aufzeigen der traurigen Tatsache, dass auch Heute, mehr als 65 Jahre
danach, der Mensch aus der Geschichte nicht gelernt hat, friedlicher zusammen
zu leben.
Alles was bleibt ist die Hoffnung und das Träumen von einer
besseren Welt. Aber: Träumen allein reicht nicht!
Werner Wöckinger
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